"Die Einschläge kommen immer näher". Das war einer seiner Lieblingssätze. Für jemanden, der zu den wenigen noch lebenden Zeitzeugen der einstigen German Security Unit (GSU) gehörte, klang es ironisch und lustig zugleich.
Jetzt hat auch Heinz Radtke die Augen für immer geschlossen.
"Ich bin unendlich traurig und glücklich zugleich, diesen großartigen Mann kennengelernt und so lange mit ihm eng verbunden gewesen zu sein", sagt Projektleiter Carsten Schanz.
In Rostock geboren, wurde er als junger Lehrling eingezogen. Während des Stauffenbergs Attentat versah er zufällig seinen Dienst in der Wolfsschanze und konnte sich zu Fuß nach Berlin abestzen.
Als Chef des Hundezuges und vor allem als stellvertretender Einheitsführer machte sich Radtke einen Namen. 1952 trat er dem damaligen Watchmen´s Service der GSO bei, nur knapp zwei Jahre später war er Hundeführer und kurz danach als Nachfolger von Gerhard Jabs, Chef der Vierbeinertruppe. Diesen Posten füllte er bis zu seiner Pensionierung 1988 leidenschaftlich aus, auch nachdem er 1969 Vize-Chef der GSU wurde.
Mit ihm trat schließlich der letzte Offizier im Range eines Chief Superintendent in den Ruhestand. Dabei hätte er schon längst Major sein können, wenn er dem Ruf von Lieutenant Colonel Klaus Bartels gefolgt wäre, der ihm den Wechsel zum 6941st Guard Battalion angeboten hatte. Aber Radtke blieb und war sich des hohen Respekts der Truppe sicher. Kein anderer der Führungsriege war so anerkannt wie er.
GSU HISTORY war er als Ruheständler eng verbunden. Seine gesamtes persönliches GSU-Material hatte er bereits zu Lebzeiten übergeben und stand bei drei Interviews Rede und Antwort. Er beharrte darauf, dass seine Geschichte aber erst nach seinem Tod veröffentlicht werden sollen. Zu sehr hatte ihn schließlich die eine oder andere Erinnerung aufgewühlt.
Diesen Wunsch wird GSU HISTORY respektvoll umsetzen.
Gestern ist Heinz Radtke mit 97 Jahren gestorben. Er war der älteste und bedeutendste letzte Zeitzeuge der GSU.
Als Werner Nowka heute vor genau 30 Jahren einer schweren Erkrankung erlag, befand sich die German Security Unit (GSU) noch in einer Schockstarre, denn nur wenige Wochen zuvor hatten sich die Einheitsangehörigen von Jürgen Gensrich für immer verabschieden müssen.
Zur Person Nowka, der im Januar 1925 geboren wurde, ist leider wenig überliefert, zumeist ergeben sich die Erkenntnisse aus den Berichten der Zeitzeugen.
Fest steht, dass er schon in den 1950er Jahren in Brooke Barracks, einer Nachbarkaserne der GSU, als Angestellter in den dortigen Pferdeställen tätig war. Wie lange seine Dienstzeit dort andauerte und vor allem, wie er wo aufwuchs, ist nicht bekannt.
Allerdings bestand bereits sehr früh eine enge Verbindung zu GSU-Guards, u.a. zu Günter Falk und dessen Neffe Karl-Heinz. Wie letztlich das Interesse zum Wechsel zur GSU geweckt wurde, ist ebenfalls nicht überliefert.
In den 1960er Jahren war es aber soweit: Werner Nowka begann seine Laufbahn bei der damaligen German Service Unit. Im regulären Wachdienst war er etwa acht Jahre eingesetzt, ehe er durch den damaligen Dienststellenleiter in den Stab geholt wurde.
Dort verrichtete er seinen Dienst im Range eines Foreman, bevor er für mehrere Jahre als Head Foreman (dem späteren Senior Foreman) als Diensteinteiler eingesetzt wurde.
Als Nachfolger von Robert Rühe, übernahm Nowka gemeinsam mit Foreman Horst Schröpfer die Position des Ausbilders. Als solcher dürfte er den meisten der noch lebenden Zeitzeugenzeugen gut in Erinnerung sein.
Er war es schließlich auch, der das Thema Dienstsport bei der GSU wieder in den Mittelpunkt führte. So war er u.a. für die Abnahme des Deutschen Sportabzeichens berechtigt, was er somit auch regelmäßig bei den Guards umsetzte.
Seine Laufrunden, die er über Jahre täglich um den Sportplatz absolvierte, sind bis heute legendär.
Anfang der 1980er Jahre wurde Nowka zum Superintendent befördert, womit er die Ausbildertätigkeit aufgeben musste, um andere Aufgaben im Stab zu übernehmen. Um die Rekruten kümmerten sich fortan Karl-Heinz Sander und Jürgen Gensrich.
Der Kettenraucher, der seit vielen Jahren mit seiner Frau Margot verheiratet war, trat schließlich 1987 in den Ruhestand.
Heute vor 30 Jahren, am 21. Juli 1992, starb Nowka mit 67 Jahren in einem Berliner Krankenhaus. Er ruht neben seiner nachverstorbenen Frau in Berlin-Kreuzberg.
Die noch lebenden Verwandten haben sich leider entschieden, kein Gespräch über ihn führen zu wollen.
Im vergangenen Jahr wurde die stille Patenschaft zwischen dem Zeitzeugen-Projekt GSU HISTORY und der Commonwealth War Graves Commission (CWGC) für zwei Soldatengräber besiegelt – und heute abermals umgesetzt:
Auf dem Gelände des britischen Militärfriedhofs in Berlin-Westend wurden aus diesem Anlass Blumen auf den Gräbern von Albert Vickers und Oldřich Bláha abgelegt. »Auftrag und Freundschaftsdienst zugleich«lautet das Motto, denn ein Bezug zur einstigen German Security Unit besteht nur indirekt.
Bei Oldřich Dennis Bláha, dessen Grab aufgrund der engen Verbundenheit mit der Tschechischen Atlantischen Kommission bei der NATO gepflegt wird, handelte es sich um einen Soldaten tschechischer Herkunft, dessen Vater mit einer gebürtigen Engländerin verheiratet war. Im März 1922 wurde der spätere Soldat in Olomouc geboren. Nachdem Bláhas Eltern 1938 beschlossen, zunächst nach Frankreich zu ziehen, ließen sie sich ein Jahr später in London nieder und bezogen eine kleine Wohnung in der Tooting Road.
Phoebe Lucy Bláha, die aus politischen Gründen die britische Staatsangehörigkeit ablegen musste, war als Empfangsdame tätig und erhielt im Juli 1939 ihren britischen Pass zurück.
Kurze Zeit später trat Bláha, der somit ebenfalls Brite wurde, in die Royal Air Force ein. Er diente im Mannschaftsrang, später als Unteroffizier, in der Royal Air Force Volunteer Reserve und gehörte zum 44 Squadron, das im damaligen Rhodesien und in Teilen auf dem englischen Luftwaffen-Stützpunkt Dunholme Lodge stationiert war.
Sergeant Bláha war 1940 Teilnehmer der legendären Luftschlacht um England und wurde wegen seiner Leistungen drei Jahre später, am 2. September 1943, mit der Distinguished Flying Medal (DFM) ausgezeichnet.
Am Abend des 2. Januar 1944 befand er sich als Besatzungsmitglied eines Bombers des Typs Avro Lancaster I mit seinen Kameraden im Kampfeinsatz im Luftraum über Berlin. Historische Unterlagen belegen, dass sich die Maschine in westlicher Richtung bei Luckenwalde befand und gegen 23:50 Uhr explodierte.
Etwa einen Kilometer vom brandenburgischen Dorf Lynow entfernt wurden im Nachgang zahlreiche Leichen- und Wrackteile durch den Bürgermeister aufgefunden. Niemand der Besatzungsmitglieder hatte die Explosion und den Absturz überlebt.
Die örtlich zuständige Polizeidienststelle in Jüterbog übernahm zunächst die Ermittlungen, bis schließlich ein Team der Luftwaffe eintraf. Der zuständige Offizier ordnete dem Bürgermeister die Beisetzung der Soldaten an, die am 3. Januar 1944 in Lynow erfolgte.
Oldřich Dennis Bláha starb mit nur 21 Jahren und hinterließ seine Eltern. Im Nachgang wurde der Sergeant aufgrund seiner Verdienste posthum zum Flying Officer befördert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Listen der im Kampfgebiet notdürftig beigesetzten britischen Soldaten erstellt. 1947 wurde auch Bláha erfasst und einige Jahre später auf den britischen Soldatenfriedhof in Berlin-Westend umgebettet.
Am heutigen 25. März wäre Blaha 100 Jahre alt geworden.
Auch Albert Vickers wurde geehrt, der gestern vor 78 Jahren im Berliner Luftraum abgeschossen wurde.
Die Patenschaft des Grabes geht auf eine persönliche Bitte von Maurice Kent (88) zurück, der von 1980 bis 1985 als British Supervisory Element (BSE) bei der damaligen German Security Unit eingesetzt war.
Bei den Angehörigen des 1944 gefallenen Albert Vickers handelte es sich um enge Freunde der Familie Kent. Nachdem 2019 die letzten Verwandten von Vickers verstorben sind, gibt es niemanden mehr, der bei einem Berlin-Besuch das Grab aufsuchen würde. Daraufhin trat Kent an GSU HISTORY heran.
Sergeant Albert Vickers diente im 514 Squadron RAF, das am 1. September 1943 innerhalb der Royal Air Force Volunteer Reserve aufgestellt wurde und war einer der ersten Flieger, die auf dem legendären Bomber des Typs Avro Lancaster II LL 625 dienten. Die Lancaster-Modelle wurden erst ab Ende 1942 durch die britische Luftwaffe eingesetzt, die durch fünf Hersteller, darunter Avro und Vickers-Armstrong produziert wurden. Bei der Namensgleichheit handelt es sich um einen Zufall.
Gemeinsam mit seinen Kameraden Philip Bennett, Jack Knights, John Laing, Charles Salt und Gerald Scott befand sich Vickers am 24. März 1944 mit seiner Lancaster als Navigator in der Luft. Sie starteten den Einsatz gegen 18:30 Uhr im bei Cambridge liegenden Waterbeach und gerieten in Deutschland unter Beschuss.
Etwa 12 Kilometer von Dessau entfernt, stürzte die Maschine am Abend ab. Sergeant Vickers starb mit seinen Kameraden. Er wurde nur 22 Jahre alt und hinterließ neben seinen Eltern auch seine Ehefrau Dorothy.
Der Gang über den Militärfriedhof schmerzt aus aktuellem Anlass besonders.
» Krieg ist ein Ort, an dem sich junge Menschen, die sich nicht kennen und nicht hassen, gegenseitig töten, durch die Entscheidung alter Menschen, die sich kennen und hassen, aber sich nicht gegenseitig töten.«
(Erich Hartmann)