Rainer Kroneck

Rainer Kroneck

"Was du auch willst: sorge immer für einen Plan B"
Rainer Kroneck (2020)

 Zeitzeuge
RAINER KRONECK
Der »three times guard«

Vielleicht ist er ein kleiner Rekordhalter in den Reihen der German Security Unit (GSU), zumindest aber jemand, der seinem Motto stets treu blieb und in einer entscheidenden Stunde Rückrat bewies:

Rainer Kroneck (Foto), der 2022 einen runden Geburtstag feiert und noch immer fest im Leben steht.

Und tatsächlich: Es gab zwar nicht wenige GSU-Guards, die zweimal in der Einheit dienten, aber sicherlich nur sehr wenige, die dreimal die grüne Uniform trugen. Belegt ist zumindest nur einer dieser Fälle: Rainer Kroneck - und dabei war und ist sein Leben auch ohne den »Teil GSU« sicherlich bewegend genug.

Kroneck ist Berliner durch und durch. Er wuchs in seinem Heimatbezirk Wedding auf und besuchte zunächst die Grundschule, ehe er, ebenfalls in Wedding, die Oberschule mit der Fachrichtung des wirtschaftlichen Zweigs absolvierte.
Mit dem Abschluss der mittleren Reife in der Tasche war er in seiner ersten Anstellung bei der Bank für Gemeinwirtschaft tätig.

Doch aus beruflichen Gründen zog es seine Eltern kurze Zeit später nach Sindelfingen, weshalb es auch Rainer Kroneck schließlich nach Baden-Württemberg verschlug.

1961 begann er bei der Techniker Krankenkasse eine Ausbildung als Sozialversicherungskaufmann. Nicht ohne Stolz, denn seine Arbeitgeberin war die erste Krankenkasse, die in Deutschland ein geschlossenes EDV-System einführte. Allein für seine Ausbildung und die zusätzlich erlangte Qualifikation ein Ritterschlag. 1964 schloss er seine Ausbildung schließlich erfolgreich ab.

Noch im selben Jahr zog er wieder nach Berlin um. Rainer Kroneck plante, eine Stellung bei einer Krankenkasse anzutreten, allerdings scheiterte er wegen des mangelnden Bedarfs in Berlin. „Die haben schlichtweg keinen einzigen Kaufmann gesucht“, erinnert er sich.

Zur Ironie seines Planes gehört aber auch die Tatsache, dass Kroneck, der, wie viele andere junge Männer ebenfalls, vor allem eines versuchte: Der Bundeswehr zu entgehen, die die Musterung bereits angekündigt hatte.
Werbeanzeige für die GSU (1970er Jahre)

1964: Erste Phase bei der GSU

Eine großzügige Werbeanzeige der Britischen Streitkräfte erbrachte die erneute Wende im Leben des Rainer Kroneck, wenn auch zunächst sehr kurz:

Über eine Tageszeitung wurde er auf den »Watchmen´s Service« aufmerksam, der dringend Nachwuchs suchte. Kroneck zögerte nicht lange und war vor allem auch deshalb neugierig, weil es eine phänomenale günstige Unterkunft gab: Die Smuts Barracks in Berlin-Spandau, der Standortkaserne der GSU.

Noch im selben Jahr begann er seine sechswöchige Grundausbildung unter der Leitung von Robert Rühe und Werner Nowka.

Nachdem er diese erfolgreich abgeschlossen hatte, zog er schließlich als »Rifle Man« auf Wache.
 Zugeteilt wurde Kroneck nach seiner Ausbildung dem 2. Zug der 2. Kompanie, die wiederum unter dem Kommando von Chief Superintendent Werner Heise stand. Den Zug hat er mehrfach gewechselt, seine Stube im legendären Block 34 allerdings blieb.

Seiner kaufmännischen Ausbildung und seinen hervorragenden Schreibmaschinen-Kenntnissen hatte er es zu verdanken, dass man ihm schnell eine Stelle im Personalbüro angeboten hat. Kroneck nahm dankend an und war nunmehr Günter Kanitz zugeteilt, Assistant Superintendent und Chef des Büros. „Dort liefen damals wesentliche Dinge zusammen, zum Teil auch die Diensteinteilung, die von Heinz Radtke geleitet wurde“, erinnert sich Kroneck.

Doch er blieb nicht und quittierte nur wenige Monate später seinen Dienst, nachdem er ein gutes Angebot erhalten hatte.

Ein großes Versicherungsunternehmen lockte ihn nach Stuttgart und somit zurück nach Baden-Württemberg. Dort übernahm er bis 1968 eine Stelle im Personalmanagement und ließ sich zusätzlich qualifizieren. Eine Hürde musste er dennoch nehmen: Die Bundeswehr hatte ihn nicht vergessen und bestellte Kroneck ein. Letztlich wurde er aber aus gesundheitlichen Gründen ausgemustert.
Hinweisschild der GSU am Block 34 (April 1978)

1968: Zweite Runde bei der GSU

Inzwischen im Bereich des Personalmanagements gut aus- und fortgebildet, entschied sich Kroneck zur Rückkehr nach Berlin – und auch zur GSU, die noch unter dem Kommando von Staff Superintendent Johannes Gohl stand, der kurze Zeit später in den Ruhestand treten und von Wolfgang Schiller abgelöst werden sollte.

Als Kroneck im April erneut in die GSU eintrat, nahm er seinen Dienst wieder in der Wachabteilung auf, eine erneute Grundausbildung wurde nicht abverlangt.

Im Herbst 1968 übernahm Schiller die GSU, die zudem in den Status einer Wachpolizei erhoben wurde und einen riesigen Personalwechsel mit sich brachte. Dadurch entstand erhebliche Unruhe. Zahlreiche Männer verließen verbittert und auch enttäuscht die Einheit.

Schließlich ging auch Kroneck erneut. Am 29. September gab er zum zweiten Mal die Uniform ab.

Kroneck (stehend, re.) bei einer Weihnachtsfeier bei Ursula Parrish

1969-1979: Erneute Rückkehr zur GSU

Im Mai 1969 kehrte Rainer Kroneck zum dritten Mal zur GSU zurück. Wieder startete er für kurze Zeit im Wachdienst und wechselte zeitnah in das Personalbüro, doch seine Erfahrung sollte ihm abermals von Nutzen sein.

Schnell war er in den Rang eines Chargehands befördert worden. Letztlich wurde er der dienstjüngste Foreman der Einheit.

Im April 1971 wurde Kroneck zum Head Foreman befördert, jenen Dienstgrad, der später in Senior Foreman umbenannt wurde.

Kroneck übernahm unter der Führung von Chief Superintendent Heinz Radtke die Diensteinteilung im Fachbereich »Einsatzleitung« – ein Bereich, bei dem es sich um den Vorläufer des späteren »Police- and Operation Office« handelte, das von Burckhard Stein übernommen wurde.

Zudem wurde er als Urlaubsvertreter zeitweise auch als Diensthabender vom Wachdienst (DvW) eingesetzt. Zum Teil war gerade diese Position für ihn oft sehr unangenehm. „Ich weiß noch, wie mich alte Kameraden versuchten auszureizen. Ich denke da an Otto Ziegfeld oder Bernd Luckner. Aber schließlich pendelte sich alles irgendwann ein“, sagt Kroneck.

Am 30. April 1975 wurde Rainer Kroneck zum Assistant Superintendent befördert, den untersten Offiziersrang.

Gruppenfoto des GSU-Stabes mit dem scheidenden BSE Terence Clift (sitzend mit Koppel) und Rainer Kroneck (stehend, vierter von links), 1973

Im neuen Rang folgte er auch dem bereits erkrankten Günter Kanitz als Chef des Personalbüros. Neu war auch, dass er als Leiter des Büros nun auch die Zuständigkeit für die Einstellungsverfahren erhielt, was vorher immer noch als Chef-Sache des Dienststellenleiters eingestuft war.

Die Bewerberauswahl wurde in der Kaserne durchgeführt. Die Leute kamen mit ihren Papieren direkt vom britischen Arbeitsamt. Die Briten selbst hielten sich, abgesehen von der Sicherheitsüberprüfung, vollkommen heraus“ erinnert sich Kroneck.

Eine für ihn noch heute als spannend und interessant wahrgenommener Lebensabschnitt. Doch es gab zunehmende Unstimmigkeiten mit dem Amtsverständnis des neuen GSU-Chefs Wolfgang Schiller. „Nicht nur bei Personalentscheidungen und seiner Befehle im Allgemeinen, auch auf sogenannten Nebenkriegsschauplätzen, war das Agieren Schillers umstritten und sorgte für Unruhe – auch im Stab“, sagt Kroneck.

Schließlich kamen Unstimmigkeiten bei der Mannschaftsverpflegung heraus, die Schiller offenbar zu deckeln versuchte und die auch den zuständigen Offizier, Superintendent Ulrich Jäckel, in die Kritik rückten. Doch Rainer Kroneck ließ nicht locker suchte die Konfrontation. Schließlich aber musste er sich eingestehen, diese Schlacht nicht gewinnen zu können.

Am 31. März 1979 kündigte er schließlich und quittierte zum letzten Mal seinen Dienst bei der GSU. Eine Rückkehr sollte es definitiv nicht mehr geben.

Zeitzeuge Rainer Kroneck (*1942) erinnert sich vor allem an zwei GSU-Weggefährten gerne. Heinz Radtke, aber 1968 bis zu seiner Pensionierung 1988 letzter offizieller Vize-Chef der Einheit und Günter Kanitz, seinen Vorgänger als Chef des Personalbüros.


"Der Stab war später allerdings durchtränkt von Schwachstellen und Männern ohne Rückrat, ein Umstand, der vor allem von Wolfgang Schiller maßgeblich gefördert wurde. Ein echter Neuanfang hätte der Einheit 1968 nützlich sein können", erinnert sich Rainer Kroneck.

Durch seinen Rang und seine Qualifikation bei der GSU hatte er in der freien Wirtschaft keinen schlechten Stand. Zudem agierte Rainer Kroneck auch nach seinem endgültigen Weggang von der Truppe stets nach seinem Lebensmotto „Sorge immer für einen Plan B“.

Mit diesem Plan wechselte er im Juni 1979 zum Wachschutz Berlin, damals eines der größten Unternehmen der Branche. Zusätzlich qualifizierte er sich über die Abendschule im Bereich des gehobenen Personalmanagements weiter.

Wie in allen anderen Dienstleistungsunternehmen auch, setzte die Auflösung des Ostblocks, damit auch der DDR und schließlich die Folgen der Deutsche Einheit, der Sicherheitsbranche mächtig zu. Der Wachschutz Berlin wurde schließlich von einem dubiosen Frankfurter Unternehmer aufgekauft und der bisherige Geschäftsführer unrühmlich abgelöst. Stockstarre zeichnete sich ab, nachdem der Name des neuen Geschäftsführers bekannt wurde: Alexander Schalck-Golodkowski, ehemaliger Oberst des DDR-Staatssicherheitsdienstes und Honeckers berüchtigter Devisenbeschaffer im Rang eines Staatssekretärs. Kroneck selbst wurde an dessen Seite zum Prokuristen befördert – mit großem Unbehagen.

Schließlich gab es einen erneuten Wechsel: Als Nachfolger Schalck-Golodkowskis, der seinen Posten räumte, folgte als Geschäftsführer ein Mann aus Oranienburg, der relativ schnell dafür bekannt wurde, mehr Schaden als Nutzen zu verursachen. Daraufhin zog der Stamm der Mannschaft die Notbremse und verließ daraufhin 1994 das Unternehmen – so auch Rainer Kroneck.

Im selben Jahr wechselte er zur Deutschen Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES), bei der er erfolgreich im Personalmanagement tätig war. Das Unternehmen, bei dem damals knapp 800 Mitarbeiter tätig waren, bot ihm nun die ersehnte Sicherheit seines „Plans B“. Inzwischen ist die DEGES zu einer festen Größe mit mehr als 7.000 Beschäftigten herangewachsen.

2007 trat Rainer Kroneck schließlich in den Ruhestand.

Ein echtes „Rentnerdasein“ lebt der einstige GSU-Offizier aber nicht wirklich aus. Seit 1997 ist er ununterbrochen als Vollzugshelfer ehrenamtlich tätig und begleitet Menschen im offenen Strafvollzug. „Eine kleine Lebensaufgabe“, so Kroneck. „Ich habe alles begleitet und kennengelernt, vom Einbrecher bis zum Mörder“, sagt er. Die Wiedereingliederung, Menschen eine Chance zu ermöglichen, zu helfen, ist eine für ihn wichtige Aufgabe geworden. „Quasi auch so ein Plan B“, lacht Kroneck.

Das Ehrenamt ist für ihn ein Fels in der Brandung, und so verwundert es nicht, dass er auch in seinem Wohnbezirk aus vielen Bereichen des freiwilligen Engagements kaum wegzudenken ist. "Ohne Aufgabe zu sein, ist nicht immer leicht".

Im Mai 2022 feiert Rainer Kroneck seinen 80. Geburtstag.

Rainer Kroneck (2020)
 "Ohne Aufgabe zu sein, ist nicht immer leicht, vielleicht habe ich auch deswegen immer einen Plan B"
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